Dienstag, 23. Februar 2021

MAZ berichtet über das Verkehrschaos

 

 Am Sonntag kam es in Sacrow zum Verkehrskollaps.  
Quelle: Bürgerinitative "Schützt Potsdam"

Verkehrschaos in Sacrow Straße durch Welterbe-Ort stundenlang wegen Überlastung gesperrt

 

Am gestrigen Sonntag, 21. Februar 2021 trat erstmals ein, wovor die Bürgerinitiative Schützt Potsdam seit Wochen warnt: Der Verkehr in der Welterbe-Ortschaft Sacrow im Potsdamer Norden brach vollständig zusammen. Die Straße zwischen Krampnitz und Kladow, die durch den Königswald und Sacrow führt, war durch hunderte Fahrzeuge so überlastet, dass kein Durchkommen mehr war. Weder in die eine noch in die andere Richtung bewegte sich der kilometerlange Stau. Parkende und fahrende Autos blockierten sich gegenseitig, wütende und genervte Fahrer gingen gegenseitig aufeinander los.

Die Polizei sah sich daraufhin kurz nach 14:00 Uhr gezwungen, die Straße zu sperren und keine Fahrzeuge mehr durchzulassen. Die von Kladow kommenden Autos mussten umdrehen und nach Berlin zurück, wer von Krampnitz aus Richtung Sacrow wollte, wurde gestoppt und nach Potsdam zurückgeschickt.

Auch der öffentliche Busverkehr war betroffen. Die Busse der Linie 697 wurden am Ortseingang von Sacrow angehalten und konnten fast drei Stunden lang nicht weiterfahren.

Erst nachdem ein Großaufgebot von Abschleppfahrzeugen anrückte und zahlreiche Fahrzeuge aus dem Weg räumte, konnte die Straße nach ca. drei Stunden wieder freigegeben und geöffnet werden.

Die Bürgerinitiative Schützt Potsdam warnt schon seit längerer Zeit von dem drohenden Verkehrsinfarkt in der Welterbe- und Nacherholungsoase Sacrow. „Das Verkehrsaufkommen führt insbesondere an Wochenenden zu einer unzumutbaren, völlig inakzeptablen Überlastung der Straßen in Sacrow und zu einer Verlärmung der gesamten Ortschaft und des Naherholungsgebiets rund um den Sacrower See, die Heilandskirche und den Königswald“, sagt Markus Peichl, der Vorsitzende der BI. „Wir mahnen seit Jahren ein Verkehrskonzept an, um diese untragbare Situation in den Griff zu bekommen, aber außer freundlicher Verständnisbekundungen und leerer Versprechen kommt von der Stadt nichts“.

Dabei steht das Schlimmste erst bevor: „Wenn die Deutsche Wohnen und die Stadt Potsdam im Ortsteil Krampnitz tatsächlich, wie geplant, Luxushäuser und Wohnsiedlungen für rund 10.500 Menschen bauen, wird Sacrow nicht bloß ein Verkehrschaos wie am gestrigen Sonntag erleben, sondern den kompletten Verkehrsexodus. Von Berlin aus wird es Verstopfungen und Staus bis zur Heerstraße geben, die ganz Kladow und Gatow massiv betreffen werden. Von Potsdam aus werden sich die Blechlawinen die ganze B2 entlang bis ins Zentrum stauen“, sagt Peichl.

 Die Stadt habe schon jetzt kein Verkehrskonzept gegen die aktuelle Überlastung der Straße durch Sacrow und den Königswald, und sie habe erst recht keines für eine zusätzliche Ansiedlung von 10.500 Menschen in Krampnitz. „Es ist davon auszugehen, dass mindestens 40 bis 50 Prozent der Menschen, die in die geplanten Vorstadtsiedlungen von Krampnitz ziehen, in Berlin arbeiten werden. Das macht rund 5.000 Personen. Da die Verkehrswege nach Berlin über die B2 völlig überlastet und dicht sein werden, weil Potsdam auch dafür noch kein Verkehrskonzept hat, werden sie über Sacrow und den Königswald ausweichen, um nach Berlin zu kommen.“

Zusammen mit dem bereits jetzt viel zu hohen und ständig steigenden Verkehrsaufkommen in Sacrow würden die zusätzlichen rund 5.000 Pendler aus Krampnitz nach Berechnungen der BI „notgedrungen zum totalen Verkehrskollaps führen“. Das gelte werktags ebenso wie für das Wochenende, da damit zu rechnen sei, dass die 10.500 Menschen aus den geplanten Ansiedlungen in der Freizeit auch das immer beliebtere Naherholungsgebiet um den Sacrower See und den Sacrower Schlosspark aufsuchen werden.

Die BI führt regelmäßig Verkehrszählungen auf der Straße durch Sacrow und den Königswald durch. An Wochenenden werden derzeit Spitzenwerte von bis zu 2.000 Fahrzeugen pro Tag gemessen, die durch den Ort fahren. An Werktagen liegen die Spitzenwerte bei 1.600 Fahrzeugen. „Wird Krampnitz gebaut, werden wir auf 4.000 bis 5.000 Fahrzeuge in der Spitze kommen,“ sagt Peichl. „Wie soll das auf einer teils einspurigen Straße durch ein idyllisches Naturschutzgebiet gehen?“

Die BI richtet daher den dringenden Appell an die Stadt Potsdam, sich der Sache umgehend anzunehmen.

Sie fordert von den zuständigen Behörden und dem Beigeordneten für Stadtentwicklung Bernd Rubelt, die Bebauungspläne für Krampnitz sofort zu stoppen und nicht weiter voranzutreiben.

Sie verlangt, dass die Bebauung erst wieder betrieben werden darf, wenn ein schlüssiges Konzept für den zu- und abfließenden Verkehr aus den neu zu errichtenden Wohngebieten vorliegt. Außerdem hält sie es für unumgänglich, dass die Bebauungsfläche des neuen Krampnitz Quartiers auf ein Maß begrenzt wird, das für den Individualverkehr und den Öffentlichen Nahverkehr verkraftbar ist. „Wir gehen nach unseren Berechnungen davon aus, dass in Krampnitz maximal 4.000 Menschen neu angesiedelt werden können, wenn der Verkehr in den angrenzenden Regionen und Gebieten nicht völlig zusammenbrechen soll. Das gebietet vor allem auch die ökologische Vernunft, der Klimaschutz, der Lärmschutz, der Naturschutz und der Schutz der Menschen“, sagt BI-Vorsitzender Peichl.

Selbst für die Zielmarke von maximal 4.000 neu anzusiedelnden Bewohner in Krampnitz bedürfte es aber vorher eines vernünftigen, schlüssigen Mobilitätskonzepts, mit dem ein solcher Zuzug verkehrstechnisch organisiert und gestemmt werden kann. „Dieses Konzept existiert nicht, und solange es nicht da ist, darf in Krampnitz nicht weitergeplant und weitergebaut werden“, ergänzt Markus Peichl. „Man baut nicht zuerst etwas, das eine Verdrei- bis Vervierfachung des Verkehrs auslöst, und überlegt sich nachher, was man mit den Blechlawinen, Emissionsschleudern und Staus macht. Das ist Mobilitäts-, Verkehrs- und Umweltplanung der 1970er Jahre. Es muss genau anders rum sein: Erst muss Potsdam sagen, wie der Verkehr ökologisch und menschengerecht organisiert wird, dann kann im vertretbaren Rahmen gebaut werden.“

 Unabhängig von der Krampnitz-Bebauung fordert die BI aber auch schon jetzt ein kurzfristiges Eingreifen und einen schlüssigen Sofort-Plan, wie das immense Verkehrsaufkommen in dem Welterbe-Ort Sacrow zurückgedrängt und reduziert werden kann. „Einen Tag wie den gestrigen Sonntag wollen wir nicht noch einmal erleben“, sagt BI-Vorsitzender Markus Peichl. „Das war jetzt der erste Frühlingstag, noch ohne die Möglichkeit zu baden. Wie soll das im Mai, Juni oder Juli werden? Naherholungsgebiete rund um Großstädte werden durch die Pandemie noch auf absehbare Zeit überdurchschnittlich frequentiert werden. Sacrow erfreut sich aber auch so von Jahr zu Jahr größerer Beliebtheit. Wenn die Stadt nicht unverzüglich etwas unternimmt und temporäre Durchfahrtsverbote oder Anrainer-Zufahrts-Regelungen erlässt, führt das zum Dauer-Chaos“.